25. August 2013 – Archiv
Anfang August ist die 1. Staffel der kanadischen Mysterieserie “Lost Girl” in Deutschland auf DVD erschienen. Und das ist auch gut so, denn “Lost Girl” ist durchaus sehenswert.
Dass deutsche Fernsehsender in Sachen Serientrends manchmal ein bisschen verschlafen sind, ist hinreichend bekannt. Insbesondere wenn eine Serie nicht dem – gefühlten – Mainstreamgeschmack des deutschen Durchschnittszuschauers entspricht, dauert es manchmal ewig, bis Serien, die woanders auf der Welt bereits erfolgreich laufen, den Weg auf die deutschen Fernsehschirme schaffen.
Ein Beispiel hierfür ist die kanadische Mysteryserie Lost Girl. Während Fans weltweit bereits sehnsüchtig auf die 4. Staffel warten, die derzeit gedreht wird, wird die Serie bei uns erst seit April ausgestrahlt, und leider nur im PayTV. Immerhin ist jetzt die 1. Staffel in Deutschland auf DVD erschienen, und das ist auch gut so, denn Lost Girl ist sehenswert.
Die Hauptfigur der Serie, das “Lost Girl”, ist Bo, gespielt von Anna Silk (Being Erica). Bo ist auf der Flucht, seit sie in ihrer Jugend eine schreckliche Entdeckung gemacht hat: Ihre Liebe ist im wahrsten Sinne des Wortes tödlich.
Als Bo die Taschendiebin Kenzi (Ksenia Solo) vor einer Vergewaltigung bewahrt und den Angreifer auf ungewöhnliche Weise tötet, werden die Polizisten Dyson (Kris Holden-Ried) und Hale (K.C. Collins) auf sie aufmerksam. Bo erfährt, dass sie eine sogenannte Succubus ist, ein übermenschliches Wesen, das andere verführt, um sich von der Lebensenergie ihrer Sexualpartner zu ernähren. Und Bo ist nicht allein: Außer ihr gibt es noch viele andere übermenschliche Wesen, die im Verborgenen leben und sich Fae nennen.
Die Fae sind seit Jahrhunderten in zwei Lager gespalten: die Light Fae, zu denen auch Dyson und Hale gehören, und die Dark Fae. Als Bo sich für eines der Lager entscheiden soll, weigert sie sich und beginnt stattdessen, unterstützt von Kenzi, für beide Lager als Privatdetektivin zu arbeiten. Bei ihren Fällen steht Bo neben Dyson und Hale insbesondere der Barbesitzer Trick (Rick Howland) zur Seite, der sich zu einem väterlichen Freund für Bo entwickelt. Hilfe erhält sie zudem von der menschlichen Ärztin Lauren (Zoie Palmer), die im Dienste der Light Fae steht und zu der Bo sich bald hingezogen führt. Aber auch der Wolf Dyson hat es Bo angetan.
Eine junge Frau mit übermenschlichen Kräften, die gegen Dämonen und böse Mächte kämpft – klingt ein bisschen wie eine andere bekannte Mysteryserie. Tatsächlich gibt es einige Parallelen zwischen “Lost Girl” Bo und Buffy Summers: Beide sind dazu auserkoren, Heldinnen zu sein, ob sie es nun wollen oder nicht; es gibt einen väterlichen Freund, der sie in eine ihnen unbekannte Welt einführt; sie müssen ihre wahre Natur vor der Öffentlichkeit verbergen; an ihrer Seite kämpft eine Gruppe sehr unterschiedlicher Freunde und Verbündeter; ihr “Erstes Mal” endet in einer Katastrophe.
Dennoch wirkt Lost Girl keinesfalls abgekupfert, sondern wartet mit einer ganz eigenen Mythologie und eigenständigen Charakteren auf. Insbesondere wirkt die Serie deutlich erwachsener als Buffy, vor allem wohl weil es sich hier nicht um SchülerInnen bzw. CollegestudentInnen handelt, die noch ihren Platz im Leben suchen, und die Figuren daher bereits über mehr Souveränität und Lebenserfahrung verfügen.
Was mir in den beiden Staffeln, die ich bisher gesehen habe, mehrfach aufgefallen ist und was Lost Girl daher aus meiner Sicht bemerkenswert macht, ist die Art und Weise der Thematisierung von Sexualität, insbesondere auch von gleichgeschlechtlichem Begehren.
Allein schon aufgrund von Bos “Gabe” spielt Sexualität in der Serie natürlich ein große Rolle. Da Lost Girl eine kanadische und keine amerikanische Serie ist, die den Moralvorstellungen der Zensoren amerikanischer Networks genügen muss, dürfen die entsprechenden Szenen auch etwas expliziter sein. Insbesondere wird aber kein Unterschied gemacht, ob Bo mit einem männlichen oder einem weiblichen Partner zusammen ist. Soll heißen: In den Liebesszenen zwischen Bo und Lauren ist genauso viel Haut zu sehen wie in denen mit Dyson.
Überhaupt ist die Tatsache, dass Bo Männer und Frauen liebt – meistens abwechselnd, manchmal auch gleichzeitig – so gut wie kein Thema, zumindest nicht in der Fae-Welt, und das gilt allgemein für gleichgeschlechtliche Liebe und Partnerschaften.
Dies wird unter anderem in einer Folge deutlich, in der ein Freund von Trick Bo und Dyson bittet, nach dem verschwundenen Leichnam seines Mannes zu suchen. Während sich in vielen anderen Serien ein “ganzer Kerl” in dieser Situation irgendwie abgegrenzt und deutlich gemacht hätte, dass er zwar nichts gegen Schwule hat, selbst aber durch und durch hetero ist, zuckt Dyson nicht einmal mit der Wimper. Für ihn scheint das alles ganz normal zu sein.
Auch Bos Gefühle für Lauren sieht Dyson zwar nicht gern und er reagiert darauf offensichtlich eifersüchtig, aber sie scheinen ihn nicht in seiner Männlichkeit zu bedrohen. In einer Welt, in der alle irgendwie anders sind, spielen eben auch die klassischen menschlichen Vorstellungen von Sexualität und die entsprechenden Kategorisierungen in hetero- und homo- bzw. bisexuell keine Rolle. Dass die Macherinnen und Macher der Serie diese Freiheit, die die von ihnen selbst erschaffene Fae-Welt bietet, auch tatsächlich nutzen und die Chance wahrnehmen, Sexualität mal nicht aus einer ausschließlich heteronormativen Perspektive zu erzählen, ist aus meiner Sicht eine der großen Pluspunkte von Lost Girl.
Was mich allerdings immer noch ein wenig erstaunt ist, wie wenig sich die vielen lesbischen Fans der Serie daran zu stören scheinen, dass Bo regelmäßig mit Männern und manchmal auch mit einem Mann und einer Frau gleichzeitig schläft. Denn Bisexualität ist in der lesbischen Community bekannterweise nicht überall gern gesehen. Ein Grund für die dennoch große lesbische Fancommunity könnte sein, dass sehr deutlich gemacht wird, dass Bo wirklich beide Geschlechter begehrt und nicht nur mit Frauen schläft, um die männliche Fantasie anzuheizen. Und ein weiterer Grund dürfte ziemlich schlicht sein: Eine attraktive, toughe Frau in Leder, die regelmäßig (auch) Frauen küsst – muss ich noch mehr sagen?
Als kleiner Teaser zum Abschluss hier noch ein schöner Fan-Trailer: Lost Girl trailer
“Life is hard when you don’t know who you are. It’s harder if you don’t know what you are. My love carries a death sentence. I was lost for years, searching while hiding, only to find I belong to a world hidden from humans. I won’t hide anymore. I will live the life I choose.”
(Lost Girl Opening Sequence)