26. Mai 2010 – Archiv
Die beiden Fernsehfilme von Regisseurin Angelina Maccarone (“Fremde Haut”, Tatort) aus den 1990er Jahren sind jetzt auf DVD erhältlich. Ansehen lohnt sich!
In den letzten Jahren hat Angelina Maccarone vor allem mit anspruchsvollen und kontroversen Themen von sich reden gemacht: Eine junge Iranerin gibt sich als Mann aus, um nicht in ihre Heimat abgeschoben zu werden, wo ihr wegen ihrer Homosexualität die Todesstrafe droht (“Fremde Haut”); eine junge Deutschtürkin wird ermordet, um einen Fall von Inzest in ihrer Familie zu vertuschen (“Tatort: Wem Ehre gebührt”); eine Bewährungshelferin lässt sich auf eine sadomasochistische Affäre mit einem minderjährigen Mandanten ein (“Verfolgt”).
Dass die Filmemacherin auch ganz anders kann und zu ihrem Repertoire nicht nur Dramen, sondern auch Komödien gehören, könnte darüber leicht in Vergessenheit geraten, wenn nicht zum Glück jetzt zwei ihrer frühen Filme auf DVD erhältlich wären: die Coming Out-Komödie “Kommt Mausi raus?!” und die lesbische Liebeskömodie “Alles wird gut”.
Kommt Mausi raus?! (1995)
Gleich nach dem Abitur macht sich Kati (Julia Richter), genannt “Mausi”, aus ihrer westfälischen Heimat auf nach Hamburg. Was zuhause niemand weiß: Kati liebt Frauen, und in der Großstadt kann sie ihr Lesbischsein endlich leben. Alles scheint perfekt zu sein, als Kati sich in Yumiko (Alexandra Wilcke) verliebt. Die ist allerdings schon bald schwer genervt, weil ihre Freundin nicht öffentlich zu ihrer Liebe stehen will und sie regelmäßig “wegtarnt”.
Yumiko drängt Kati, sich endlich zu outen, und Kati lenkt schließlich ein. Schweren Herzens macht sie sich auf den Weg in ihre alte Heimat, um mit ihrer Mutter zu sprechen. Doch einmal angekommen läuft Katis Coming Out etwas anders als geplant…
Ein Coming-Out in der Provinz – in ihrem Debüt-Film, für den sie das Drehbuch schrieb und als Co-Regisseurin fungierte, erzählt Angelina Maccarone einfühlsam und dennoch witzig, wie schwer so etwas für alle Beteiligten sein kann.
Großstädtern mag das Bild, das sie von Katis westfälischer Heimat zeichnet, klischeehaft vorkommen, aber das Gegenteil ist der Fall. Die Charaktere sind lebensnah und glaubwürdig, und was auf den ersten Blick wie Engstirnigkeit oder Intoleranz erscheint, entpuppt sich teilweise bei näherem Hinsehen als Sorge um einen geliebten Menschen oder als Reaktion auf die eigene Situation.
Als Katis Mutter (Gisela Keiner) ihrer Tochter rät, niemandem sonst von ihrer Homosexualität zu erzählen, tut sie dies weniger aus Sorge um ihren eigenen Ruf, sondern vor allem, um ihre Tochter zu schützen. Und Katis beste Freundin Sonja (Nina Weniger), die von ihrem Freund unter Druck gesetzt wird, sich nicht mehr mit Kati sehen zu lassen, ist hin- und hergerissen zwischen der Loyalität zu ihrer besten Freundin und den gesellschaftlichen Zwängen der Kleinstadt, von denen sie sich – anders als Katis Mutter – noch nicht freimachen kann.
Ein witziger, charmanter, wunderbarer Film, dessen Themen auch nach 15 Jahren immer noch aktuell sind und der nicht nur deshalb unbedingt sehenswert ist. Oder, wie es der Verleih ausdrückt: “Einer der großen Klassiker des lesbischen Films steht wieder zur Verfügung!”
Alles wird gut (1997)
Nabou (Kati Stüdemann) liebt Katja (Aglaia Szyszkowitz). Die will allerdings nichts mehr von Nabou wissen. Um ihrer Angebeteten trotzdem nahe zu sein und vielleicht doch noch eine Chance bei ihr zu bekommen, lässt sich die chaotische Nabou von Karrierefrau Kim (Chantal de Freitas), die im selben Haus wohnt wie Katja, ausgerechnet als Putzhilfe engagieren.
Das geht nicht lange gut, und schon nach kurzer Zeit kracht es zwischen den beiden unterschiedlichen Frauen gewaltig. Als Kims Freund, der gleichzeitig auch ihr Chef ist, Nabou aufgrund eines Missverständnisses für Kims Schwester hält, bittet Kim Nabou, um ihrer Karriere willen mitzuspielen. Als “Schwestern” kommen Nabou und Kim sich nach und nach näher – und Katja ist plötzlich abgemeldet…
In Zeiten, in denen deutsche Fußballnationalspieler und -spielerinnen Boateng oder Okoyino Da Mbabi heißen, sich erfolgreiche Fernsehfrauen bei öffentlichen Auftritten selbstverständlich von ihrer Partnerin begleiten lassen und wir dank Internet und DVDs Bekanntschaft mit Frauen wie Shane McCutcheon machen durften, mag das kaum mehr vorstellbar sein, aber noch Ende der 1990er war “Alles wird gut” ein durch und durch ungewöhnlicher Film, weil er mit einem Schlag gleich mit mehreren in der deutschen Gesellschaft fest verankerten Glaubenssätzen aufräumte: nicht alle Deutschen sind weiß, manche Frauen machen lieber Karriere als zu heiraten, und es gibt nicht nur Männer, sondern auch Frauen, die jede Nacht mit einer anderen Frau ins Bett gehen. Ganz zu schweigen davon, dass es hier um Frauen geht, die wie ganz selbstverständlich andere Frauen lieben.
Dabei lebt der Film nicht nur von den beiden Protagonistinnen, sondern wartet gleich mit einer ganzen Reihe interessanter Charaktere auf, von denen manche vielleicht etwas überzogen dargestellt sind, was aber bei einer Komödie durchaus zu verzeihen ist.
Da sind zum Beispiel Nabous spirituell angehauchte Mitbewohnerin Giuseppa (Isabella Parkinson), die Nabou mit Gläserrücken und Kartenlegen zu ihrem Liebesglück verhelfen will, und ihre Ex Katja, deren Markenzeichen blaugefärbte Haare und ein nicht unerheblicher Frauenverschleiß sind. An Kims Seite ist neben ihrem Freund Dieter (Uwe Rohde), der von seiner Mutter “Moppi” genannt wird und auch sonst ein ziemliches Weichei ist, insbesondere ihr bester Freund Kofi (Pierre Sanoussi-Bliss), der Dieter nicht ausstehen kann und daher alles versucht, um die kopfgesteuerte Kim davon zu überzeugen, sich auf ihre Gefühle für Nabou einzulassen.
Nach zahlreichen Irrungen und Wirrungen finden sich zum Schluss des Films schließlich alle auf der Elbe wieder, zu einem skurrilen Showdown, der allein den Film schon sehenswert machen würde. Und für alle Fans des “Marienhof”-Pärchens Billi & Andrea hält der Film noch ein besonderes Schmankerl berat: einen Gastauftritt von “Billi” Katja Keller.
In diesem Sinne: “Hakuna Matata” – Alles wird gut.